Kurznews: Geislingen - Klimaneutralität als Wettbewerbsfaktor

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Geislingen - Klimaneutralität als Wettbewerbsfaktor

26.11.2021 15:34 Uhr

Nur wenige Tage nach dem Beschluss der UN-Klimakonferenz in Glasgow beschäftigten sich Expert:innen aus der Industrie und Wissenschaft beim dritten Geislinger Zukunftsforum mit der Frage, welchen Bedeutung Unternehmen für das Klima spielen und wie klimaneutrales Wirtschaften funktionieren kann.

Die Klimakonferenz in Glasgow lässt viele Menschen unzufrieden zurück – das zeigte auch eine Umfrage, die während der Veranstaltung durchgeführt wurde: Rund 80 Prozent der Teilnehmenden sprach sich dafür aus, dass bei der Klimakonferenz nur unzureichende Maßnahmen beschlossen wurden. „Wir brauchen ein Wunder, ansonsten droht eine komplette Veränderung von Ökosystemen und eine dramatische Situation. Aber das Wunder ist möglich“, sagte Prof. Dr. Carola Pekrun, Prorektorin für Forschung und Transfer der HfWU in ihrer Begrüßungsrede beim hybriden Geislinger Zukunftsforum 2021. An Klimaneutralität führe kein Weg vorbei, das sei auch unternehmerisch vernünftig, so Pekrun weiter. Die Möglichkeiten, unternehmerisch Verantwortung zu übernehmen, sind vielfältig: Die EMAS-Zertifizierung, die Übernahme von Baum-Patenschaften oder die Bepflanzung von freien Flächen sind Beispiele, die Pekrun nannte. Auch die HfWU verpflichtet sich klimaneutraler zu werden und ist an den Klimaschutzplan der Landesregierung gebunden – dieser sieht Klimaneutralität bis 2040 vor.

„Die Frage ist nicht, ob Unternehmen klimaneutral werden, sondern wie sie es werden“, betonte Prof. Dr. Anka Reich, Professorin für Wirtschaftsrecht und Gleichstellungsbeauftragte der HfWU. Die aktuelle Klimapolitik gehe zu Lasten der jüngeren Generationen, berief sich Reich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März dieses Jahres. Gemeinsam mit Prof. Dr. Klaus Gourgé und Prof. Dr. Barbara Kreis-Engelhardt hat Reich das Geislinger Zukunftsforum 2019 ins Leben gerufen, das sich seitdem einmal jährlich mit Trends und aktuellen Fragen im Spannungsfeld von Mensch, Arbeitswelt und Gesellschaft beschäftigt – zuletzt mit den Themen Digitalisierung und Kommunikation. Zu Gast sind in diesem Jahr drei Expert:innen zum Thema klimaneutrales Wirtschaften.

Ein Schritt hin zur Klimaneutralität im Unternehmen ist die Kompensation, vorgestellt von Dr. Olga Panic-Savanovic. Die Ingenieurin arbeitet seit Beginn des Jahres bei der Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg. Unternehmen können sogenannte Restemissionen, das heißt CO2-Emissionen, die nicht anderweitig vermieden oder reduziert werden können, mithilfe eines Klimaschutzprojekts an anderer Stelle kompensieren. „Für das Klima ist es nicht entscheidend, wo Emissionen eingespart werden. Daher kann die Kompensation als ein Übergangsinstrument eine wichtige Rolle beim Klimaschutz spielen“, so Panic-Savanovic. „Solange wir nicht bei null Emissionen angekommen sind, müssen wir kompensieren.“ Um sich als Unternehmen zertifizieren lassen zu können, müssen die Klimaprojekte allerdings einige Kriterien erfüllen. Dazu zählen etwa der tatsächliche Beitrag zum Klimaschutz, die Sozialverträglichkeit vor Ort und die Transparenz der Projekte. So schaffen die Projekte einen nachhaltigen Mehrwehrt in den Ländern vor Ort, indem sie über die CO2-Bindung hinaus beispielsweise Arbeitsplätze schaffen, die Biodiversität stärken oder die gesundheitlichen Bedingungen der Landbevölkerung verbessern.

Lisa Unkelhäußer, Senior Partner bei Bosch Climate Solutions und Studentin im berufsbegleitenden MBA Zukunftstrends und Nachhaltiges Management der HfWU sprach von einem „Dornröschenschlaf“ in dem sich die Unternehmen befänden. „Die Lawine CO2 ist losgetreten, das haben nur viele noch nicht erkannt“, so Unkelhäußer. „Nachhaltigkeit und Klimaneutralität werden zu entscheidende Wettbewerbsfaktoren“, prognostizierte sie, „auch im Kampf um neue Talente.“ Viele Unternehmen wollten zwar klimaneutral werden, wüssten jedoch nicht einmal, wie hoch ihr CO2-Fußabdruck sei. Darunter verstehe man im engeren Sinne die CO2-Emissionen, die im Unternehmen selbst, etwa durch die Logistik, Dienstreisen und vieles mehr entstünden, im weiteren Sinne seien damit auch die Emissionen gemeint, die innerhalb die Lieferkette entstünden. Hier sieht Unkelhäußer das größte Potenzial, eine großflächige Änderung bei Unternehmen zu bewirken, wenn nämlich große Unternehmen CO2-Neutralität von ihren Zulieferern, Dienstleistern und innerhalb ihrer Transportkette verlangen. Wie können Unternehmen ihre CO2-Emissionen reduzieren? Neben der Kompensation nannte Unkelhäußer Energieeffizienz, die Eigenerzeugung von regenerativer Energie sowie den Einkauf von grüner Energie als die zentralen Hebel. Wichtig sei aber: „Es ist ein Marathon und kein Sprint. Und: Klimaneutralität muss von oben gelebt werden.“

Einer, der schon lange etwas für eine nachhaltige und verantwortungsvoll handelnde Gesellschaft tut, ist Club of Rome-Mitglied und Mitbegründer der Global Marshall Plan Foundation und der Stiftung Weltvertrag Frithjof Finkbeiner. Mit neun Jahren hatte sein Sohn die Idee, Bäume für das Klima zu pflanzen. Daraus ist 2007 eine Kinder- und Jugendinitiative und 2011 die Plant-for-the-Planet-Foundation entstanden, für die Finkbeiner heute als Stifter und Berater tätig ist. Mit dem Ziel, eine Billion neuer Bäume zu pflanzen, initiiert die Plant-for-the-Planet-Foundation zahlreiche Projekte mit Kindern und Jugendlichen. „Bäume sind ein smarter Zeitjoker“, so Finkbeiner, „aber sie sind nicht die Lösung für den Klimawandel.“ Hierfür appellierte Finkbeiner an die Politik: „Wir haben das Wissen, die Technologie und das Geld, was wir jetzt brauchen, ist den politischen Willen. Wir müssen ins Umsetzen kommen.“

In der anschließenden Diskussionsrunde wurden die vorgestellten Maßnahmen noch einmal kritisch durch die Fragen der Teilnehmenden beleuchtet. Ist die Kompensation nur eine Form von Greenwashing? Wem wird die Kompensation angerechnet und wie werden Doppelzählungen vermieden? Wieso gibt es die Aufforstungsprojekte hauptsächlich in Afrika, Südamerika und in Asien? Was heißt es eigentlich genau, wenn ein Produkt als klimaneutral deklariert ist? Wie sollten Unternehmen grundsätzlich mit dem Thema Konsum umgehen? Das waren nur ein paar der noch aufkommenden Fragen.

Das Geislinger Zukunftsforum hat noch einmal mehr verdeutlicht, dass der Kampf um den Klimawandel nicht von Einzelnen geführt werden kann. Oder wie Mitorganisatorin Barbara Kreis-Engelhardt es formuliert hat: „Wir leben in einer gemeinsamen Welt und müssen gemeinsam handeln.“ Maßnahmen, sowohl politische als auch unternehmerische, müssen getroffen werden, sonst drohe neben der Klimakatastrophe auch noch ein Generationenkonflikt.

Das Geislinger Zukunftsforum 2021 fand in hybrider Form statt. Die Aufzeichnung ist in Kürze auf dem Youtube-Kanal der HfWU zu finden.


(Quelle & Bild: HfWU)


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