08.04.2020 09:46 Uhr
Was auf den Feldern im Landkreis Göppingen wächst, ist gefragte Ware: „Regionale
Produkte stehen ohnehin hoch im Kurs. Dazu kommt noch, dass während der Corona-
Pandemie frisches Obst und Gemüse sowieso stark gefragt sind – als Alternative zu
den auf Vorrat gekauften Raviolidosen und Tütensuppen. Und natürlich als Rohstoff für
die Lebensmittelindustrie“, sagt Mike Paul von der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU)
Stuttgart.
Allerdings hätten viele Landwirte in der Region ein Problem, das sich durch die Corona-
Pandemie nochmals massiv verschärfe: Es fehlen Helfer auf den Höfen, so die Agrar-
Gewerkschaft IG BAU. Saisonkräfte aus Rumänien oder Bulgarien dürften wegen der
Corona-Pandemie nur bedingt einreisen – zu wenige, um eine reibungslose Ernte zu
garantieren.
„Jetzt geht es darum, ein neues Wort zu entdecken: ‚Ernte-Solidarität‘. Wer aus dem
Landkreis Göppingen zupacken kann, sollte das jetzt tun. Es ist die Chance, Geld
nebenbei zu verdienen und die Zeit sinnvoll zu investieren. Spargel, Spinat, Porree … –
das April-Gemüse wartet nicht“, so Mike Paul.
Dabei gehe es nicht nur um die Ernte. Es sei auch die Zeit fürs Pflanzen und Säen:
Karotten, Blumenkohl, Radieschen, Zwiebeln, Kopfsalat, Kohlrabi & Co. müssten jetzt
auf die Felder. Im Mai nehme die Arbeit für Pflanz- und Erntehelfer dann noch einmal
deutlich zu.
„Durch die Corona-Krise ist die Landwirtschaft auf etwas angewiesen, was es schon
lange nicht mehr gab: Darauf, dass alle vor Ort anpacken. Auf ein ‚Pflanzen und Ernten
– zu (fast) 100 Prozent made by Kreis Göppingen‘“, sagt Paul. Allerdings dürfe das
nicht um jeden Preis geschehen, warnt die Agrar-Gewerkschaft: Lohn und vor allem
auch Hygienestandards seien wichtig.
„Wer Schüler, Studenten oder Flüchtlinge für die Arbeit auf dem Feld anheuert, der
muss sie auch fair bezahlen“, verlangt der Bezirksvorsitzende der IG BAU Stuttgart.
Auch in der Landwirtschaft gelte der gesetzliche Mindestlohn von 9,35 Euro pro
Stunde.
Zusätzlich fordert die IG BAU für Saisonarbeiter genauso wie für die
Stammbelegschaften in Agrarbetrieben eine Erschwerniszulage. „Immerhin setzen sich
die Beschäftigten in der Phase der Corona-Pandemie bei ihrer Arbeit auch einem
gewissen gesundheitlichen Risiko aus“, so Mike Paul. Landwirte in der Region sollten
eingearbeitete Saisonkräfte „mit einem Lohn nicht unter 11 Euro pro Stunde vom Feld
gehen lassen“. Den habe auch verdient, wer ohne Vorkenntnisse komme, was die
Arbeit in der Landwirtschaft angeht: „Viele werden Laien sein, die die professionellen
Handgriffe erst lernen müssen. Hier brauchen beide etwas Geduld – die Helfer, aber
auch die Landwirte“, so der Gewerkschafter.
„Schulen, Fachhochschulen und Unis, die geschlossen haben. Menschen in Kurzarbeit
oder im Vorruhestand, die sich etwas hinzuverdienen wollen. Oder Beschäftigte, die
schon ihre Kündigung bekommen haben. Und auch Geflüchtete, die ihre Chance
sehen, an Arbeit zu kommen. – Die aktuelle Situation darf nicht dazu führen, dass
Menschen bei der Erntearbeit auf den Feldern über den Tisch gezogen werden“, so
Mike Paul.
Aber auch die Hygiene sei bei der Arbeit auf den Feldern unerlässlich – sogar das A
und O: Es komme darauf an, auch draußen das regelmäßige Händewaschen und
Desinfizieren sicherzustellen. „Das bedeutet, dass die Toilette am Feldrand einen
Wasseranschluss braucht. Das sonst übliche Mobil-WC reicht hier nicht. Denn ohne
Wasser – kein Händewaschen“, macht Paul deutlich.
Wenn Pflanz- und Erntehelfer in Unterkünften untergebracht werden, dann seien dabei
Einzelzimmer notwendig. „Die Corona-Pandemie bedeutet das Aus der sonst üblichen
Sammelunterkünfte. Denn dort gilt das gleiche wie auf den Feldern: Der Abstand von
mindestens 1,5 Metern ist Pflicht. Besser ist eine ganze Zollstocklänge: also 2 Meter
Abstand vom Nebenmann“, erklärt der IG BAU-Bezirksvorsitzende. Zudem müssten
Sozial- und Sanitärräume alle zwei Tage fachmännisch gereinigt werden.
„Was auch tabu ist: die Sammelfahrt von Feld zu Feld. Neun-Mann-Bullis dürfen nicht
mehr voll besetzt zum Einsatz kommen“, sagt Mike Paul. Erntehelfer sollten möglichst
alleine und mit dem eigenen Pkw, Motorroller oder Fahrrad zur Feldarbeit fahren. Dafür
müsse ihnen der Landwirt eine Entschädigung bezahlen.
„Die Corona-Gefahr lauert überall. Pflanz- und Erntehelfer dürfen das bei ihrem Einsatz
unter freiem Himmel nicht vergessen. Es ist die Pflicht der Arbeitgeber, die
Arbeitsplätze und Unterkünfte so einzurichten, dass die Hygienestandards einfach
einzuhalten sind. Wer Fragen und Probleme hat, sollte sich an die IG BAU oder an das
örtliche Gesundheitsamt wenden“, so Mike Paul.
Wichtige Hygieneregeln für die Arbeit in der Landwirtschaft hat die Agrar-Gewerkschaft
IG BAU online gestellt: www.igbau.de/Ploetzlich-Erntehelfer.html
Wer sich aus dem Landkreis Göppingen als Pflanz- oder Erntehelfer bewerben möchte,
findet Jobs und weitere Infos unter www.agrarjobboerse.de. Stellenangebote gibt es auch
auf dem Portal „Das Land hilft“ vom Bundeslandwirtschaftsministerium: www.das-landhilft.
de (weiter: „Zur Plattform“).
(Quelle&Foto: Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt)
Interessant? Sags weiter: